Playmobil, Gartenarbeit und ein Blick in die Zukunft

European Writers Desk in Brüssel im April 2024

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Der 2021 ins Leben gerufene European Writers Desk wächst stetig: Mittlerweile vernetzen sich rund 80 Autor:innen in der von 20 Creative Europe Desks gegründeten Initiative und nutzen die Möglichkeit zum Austausch auf europäischer Ebene. Neben regelmäßigen Online-Treffen zu verschiedensten Themenbereichen rund um den Arbeitsalltag der schreibenden Zunft gibt es einmal im Jahr ein Live-Meeting mit ca. 25 Teilnehmenden aus ganz Europa. Nach Treffen in Kopenhagen und Hamburg war Mitte April nun Brüssel "Austragungsort" für den dreitägigen Workshop, in dem es galt, neue Tools auszuprobieren, den eigenen "Writer's Garden" zu bewirtschaften und einen Ausblick in die Zukunft wagen. 

Handling Ideas: Storytelling mit Paul Tyler

Was aussieht wie der Spieltisch einer KiTa hat durchaus Methode: In sogenannten "Mapping Sessions" unterstützt Tyler die Autor:innen mit Hilfe von Aufstellung und Visualisierung darin, mehr Klarheit und Struktur in ihre Geschichte zu bringen. Da kommen Playmobil- und andere Figuren zum Einsatz, seien es Ritter, Prinzessinnen, heulende Wölfe oder finstere Gestalten, Legos, kleine Bälle, große Klötze - die Materiasammlung scheint unbegrenzt. Dazu feuert Tyler eine Salve von Fragen ab, in atemberaubendem Tempo wird die Geschichte aufgestellt, verändert, es werden Perspektiven gewechselt, Figuren rausgenommen, andere hinzugefügt.

Gisela Nadasy aus Schweden hat es ausprobiert: "Ich dachte, ich hätte einen Plan und wüsste schon alles über meine Geschichte. Als ich mich dann hinsetzte und Paul anfing, mir schwierige Fragen zu stellen, wurde mir klar, dass ich überhaupt nichts weiss. Es war wirklich gut, alles aufzuschlüsseln und es zu etwas Besserem umzugestalten! Die wichtigste und gleichzeitig schwierigste Frage war, worüber ich eigentlich schreiben wollte - und sie hat mich auch am weitesten gebracht in der Entwicklung meiner Story. Durch die Aufstellung konnte ich die ganze Situation von außen betrachten und sehen, was Sinn ergibt und was nicht."

Schreiben ist wie Gartenarbeit - A Writer's Garden mit Nolwenn Guiziou und Nayeem Mahbub

Auch der zweite Tag des Workshops war "hands on": Das Tutor:innen-Team Nolwenn Guiziou und Nayeem Mahbub verglich die Entstehung einer Story mit dem Anlegen eines Gartens. Man braucht ein Stück Land, man braucht Saat, Dünger, Pflege und am Ende steht die Ernte.

So machten sich 25 Gärtner:innen auf, in nach Zufallsprinzip gebildeten Kleingruppen Geschichten zu erfinden und sie am Ende unter Verwendung einer Auswahl der unzähligen zur Verfügung stehenden Requisiten zu präsentieren. Hierfür hatte Nolwenn ein großes Sammelsurium an zusammengewürfelten Gegenständen parat - neben alten Postkarten und Fotos fanden sich auch Straßenfunde wie ein kleiner Zopf, eine Keramikfinger und andere Kuriositäten auf dem langen, bunten Tisch.

Rum Malmros aus Dänemark über seine Arbeit im Garten: "In unseren Dreiergruppen sollten wir jeweils eine Farbe, ein Thema und ein Genre bestimmen, und die Arbeit bestand nun daran, diese drei Dinge miteinander in Beziehung zu setzen und so mit viel Phantasie eine Geschichte zu kreieren. Dann wählten wir aus dem reichhaltigen Angebot auf dem Tisch verschiedene Gegenstände aus, um die Geschichte sichtbar zu machen, z.B. eine Postkarte von Leuten, die sich um ein Feuer versammelten und noch viel mehr. Das Wunderbare daran war nicht nur, gemeinsam etwas zu erschaffen, sondern daraus ist tatsächlich eine Idee entstanden, die wir aktiv weiterentwickeln möchten. Die Bildung der Gruppen war rein zufällig, und der Zufall wollte es, dass wir ein nordisches Team waren - Dänemark, Finnland und Schweden. Und wer weiss, vielleicht sehen wir unseren Film in ein paar Jahren auf einem Festival!"

Think Tank mit Valeria Richter - Zukunftsblick auf KI, Nachhaltigkeit und mehr

Zum Abschluss des Workshops gab es eine große Austauschrunde zu Themen, die auch für Autor:innen mittlerweile zum Arbeitsalltag gehören wie zum Beispiel Green Storytelling oder der Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Schreiben. Stellt KI eine Bedrohung dar oder kann sie auch Werkzeug sein? "Ich nutze KI auf jeden Fall als Werkzeug zur Motivation", so Autorin Eva Kamchevska aus Nord Mazedonien, "wenn ich mal wirklich feststecke, befrage ich Chat GPT und komme so wieder in den Fluss des Schreibens, auch wenn ich die Antwort des Tools gar nicht verwende".

Vampire, Familiendrama und der Turm zu Babel: Eine Zusammenfassung

Nicht nur Agata Malesinska aus Polen ist begeistert: "Und wann sehen wir uns alle wieder?" fragt sie zum Abschied als Erstes und fasst zusammen: "Es war intensiv, inhaltich auf den Punkt gebracht, aber auch lustig und überraschend. KI, Familiendrama und Vampire? Ja, das hatten wir alles. Wie immer leisteten die Teilnehmer:innen einen wichtigen Beitrag, sowohl tagsüber in den Sessions als auch abends beim Networking. Durch die Arbeit im Writer's Garden wurden wir zu Konzepten für Serien inspiriert, die auf den Markt kommen könnten - unser kleines Team hat bereits ein Online-Treffen anberaumt, um die Entwicklung dieses dort entstandenen Projekts fortzusetzen. Hat es sich also gelohnt, die ganze Nacht aufzubleiben, den Kopf anzustrengen und drei Tage lang um den freundlichen Turm zu Babel herumzulaufen? Oh ja!!!"

Das nächste Meeting des European Writers Desk ist für den 23. Mai geplant.

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